Tagung zum katholischen Schulwesen im Curhaus Wien April 2022

Experten: Katholische Privatschulen im Bildungssystem “unverzichtbar”

Internationale Tagung mit 120 Fachleuten des katholischen Schulwesens am 27./28. April in Wien eröffnet.

Wien, 28.4.22 (KAP) Katholische Schulen stellen einen “unverzichtbaren Bestandteil” im österreichischen Bildungssystem dar und genießen – ähnlich wie die Caritas – ein enorm hohes Ansehen und Reputation in der Bevölkerung: Das haben Bildungsexperten bei einer internationalen Fachtagung über Katholische Privatschulen am Mittwochabend in Wien betont. Am 27./28. April beraten rund 120 Fachleute aus zwölf europäischen Ländern und Übersee unter dem Titel “Einer Vision verpflichtet” über Gegenwart und Zukunft des katholischen Bildungs- und Schulsystems. Den Abschluss bildet ein Vortrag des Sekretärs der vatikanischen Bildungskongregation, Erzbischof Angelo Vincenzo Zani, am Donnerstagabend in Wien.

Auf den hohen Stellenwert der katholischen Privatschulen in Österreich verwies insbesondere die Sektionschefin im Bildungsministerium, Doris Wagner. Katholische Privatschulen würden einen “wesentlichen Beitrag im Gesamtkonzert” der österreichischen Schulen und Bildungseinrichtungen leisten und neben einem hohen Bildungsniveau auch für “ganzheitliche Bildung” einzustehen, so Wagner bei einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend. “Es ist wichtig, die Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu begleiten – und das nicht nur fachlich, sondern auch im Blick auf ihre Person, ihr Menschsein.” Ähnlich das Fazit des Bildungswissenschaftlers und Journalisten Josef Bruckmoser: Zu den Alleinstellungsmerkmalen katholischer Privatschulen würde der Zusammenklang von fundierter Bildung und einem “besonders hohen Ethos”, gewürzt außerdem mit einer “Prise religiöser Erziehung” gehören. All dies würden Eltern von den katholischen Schulen erwarten. Zugleich aber sei es wichtig, nicht die “goldene Mitte” aus den Augen zu verlieren, sprich: “So viel Bekenntnis wie nötig, so viel Liberalität wie möglich”.

Knackpunkt Identität
Die Wiener Religionspädagogin Prof. Andrea Lehner-Hartmann unterstrich die Bedeutung religiöser Kompetenz für den gesellschaftlichen Dialog über ein friedliches Zusammenleben. Da würden die Privatschulen einen wichtigen Beitrag leisten – vor allem dort, wo es gelinge, “vom Denken ins Tun zu kommen”. Eine Gefahr ortete Lehner-Hartmann dort, wo die Frage nach der spezifischen katholischen Identität einer Schule in ein “identitäres Verständnis” abgleite im Sinne von andere ausschließend und sich selbst abgrenzend. Um dies zu verhindern, brauche es einen “ständigen Reflexionsprozess” über das Wesen und Selbstverständnis katholischer Privatschulen.

Zudem motivierte Lehner-Hartmann die katholischen Schulen, in ihren Schulprofilen nicht nur positive Werte und Leitbilder zu benennen, sondern auch offenzulegen, dass man sich eines durchaus zwiespältigen Erbes bewusst ist, welches auch Gewalt und Diskriminierung kenne. “Schreiben Sie in Ihre Leitbilder nicht nur hinein, wie Sie sein wollen, sondern auch, wie Sie mit Problemlagen umgehen”, so der Appell der Religionspädagogin.

Keine “umzäunte Herde” mehr
Internationale Aspekte katholischer Bildung brachten der Untersekretär der vatikanischen Bildungskongregation, P. Friedrich Bechina, und der Präsident des “International Office of Catholic Education” (OIEC), Paul Barber, in die Diskussion ein. So verwies Bechina auf die große Vielfalt katholischer Schulen, von denen es weltweit rund 220.000 gebe, die von rund 70 Millionen Schülerinnen und Schülern besucht werden. In dieser Vielfalt könne man nur bestehen, wenn man sich nicht allein als Lehrende (Magistra) verstehe, sondern selber vom jeweiligen sozialen Umfeld zu lernen bereit sei. Die katholischen Schulen seien insofern auch zentrale Orte des Dialogs mit “der Welt”: “Wir müssen wegkommen vom Gefühl, eine streng umzäunte Herde zu sein. Wir sollten keine Angst haben, uns mit allem, was es gibt, konfrontieren zu lassen”, so Bechina.

OIEC-Präsident Barber gab einen Einblick in die Bedeutung politischer Lobbyarbeit national in England und international. Diese Arbeit sei nach außen oft unsichtbar, zugleich aber sehr bedeutsam, da aktuelle Bildungsentscheidungen meist eine jahrelange Vorgeschichte haben und auf jahrelangen Diskussionen beruhen, an denen man sich auch als Kirche politisch einbringen müsse. “Wir haben alle dieselbe Mission, aber wir leben diese in unterschiedlichen Kontexten” – im Kern bedeute diese Mission den “Einsatz für die Armen und Benachteiligten”. Dies stellen “das Herzensanliegen katholischer Erziehung” dar, so Barber.

Pinz: “An Humanisierung der Gesellschaft mitwirken”
Veranstalter der Tagung ist das Interdiözesane Amt für Unterricht und Erziehung (IDA), dessen Leiterin Andrea Pinz die Tagung – gemeinsam mit dem Wiener Generalvikar Nikolaus Krasa – eröffnete. Im Zentrum von Schule gehe es stets um “Dialog und Begegnung”, so Pinz in ihren Eröffnungsworten am Mittwoch. Dies sei auch das Anliegen der Tagung – Menschen zum Austausch über dringende Fragen zusammenzubringen. Dazu zähle etwa die Frage, “wie wir unsere Botschaft in einer säkularen, pluralen und von religiöser Sprachunfähigkeit gekennzeichneten Welt vermitteln können”. Zudem werde es “immer schwieriger, unsere Vision in einem System zu leben, das von wirtschaftlichem Druck, Funktionalismus und einer überbordenden Administration bestimmt ist”, so Pinz. “Wenn uns aber die Pandemie und der Horror des Krieges etwas gelehrt hat, dann, dass das vorrangige Ziel der Bildung es bleiben muss, an der Humanisierung der Gesellschaft mitzuwirken.”

Der Wiener Generalvikar Krasa stellte in seinen Begrüßungsworten zugleich die alle Vorträge der Tagung rahmende Frage: “Warum tun wir, was wir tun? – Warum betreiben wir Schulen, Kindergärten und Universitäten?” – Die Frage dränge um so mehr, als der Anteil an praktizierenden Katholiken und zugleich die finanziellen Mittel weiter sinken, während die katholischen Schulen sich einer steigenden Beliebtheit erfreuten. “Die Menschen, die nicht in unsere Gottesdienste kommen, sind dieselben, die zugleich ihre Kinder auf unsere Schulen schicken”. Dennoch gebe es keinen Grund, davon abzulassen oder zu verzagen: Schließlich sei es “Gott selbst”, der der erste Lehrer sei, dabei die Menschen liebe und darauf vertraue, dass der Mensch sich entwickeln und aus seinen Fehlern lernen könne, so Krasa.

Presse: Wien, 28.4.22 (KAP) / (c): Henning Klingen