“Was heißt hier katholisch?” Katholische Bildung im Fokus

Auch heuer wieder organisierte das Schulamt der Erzdiözese Wien einen eigenen Programmschwerpunkt im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“. Die Vorträge samt anschließender Diskussion nahmen katholische Bildung aus ganz verschiedenen Perspektiven in den Blick. Der aktuelle gesellschaftliche Kontext für die religiöse Identitätsgestaltung junger Menschen war ebenso Thema wie die Zukunft des schulischen Religionsunterrichts und dessen Beitrag für das Gemeinwohl.

Das Schulamt der Erzdiözese Wien lud anlässlich der „Langen Nacht der Kirchen“ ins neu eröffnete Mamas Café der St. Elisabeth Stiftung in den Zwettlerhof beim Stephansdom. “Was heißt hier katholisch?”, lautete der launige Titel der Veranstaltungsreihe: Zwei Impulsvorträge und eine spannend besetzte Gesprächsrunde widmeten sich der gesellschaftspolitischen Dimension katholischer Bildung — samt einem Ausblick auf die Zukunft des schulischen Religionsunterrichts.

Der soziologische Blick: Säkularisierung, Pluralisierung und Politisierung
Einen geschulten Blick auf den gesellschaftlichen Kontext, in dem religiöse Bildung stattfindet, warf die Religionssoziologin Katharina Limacher zum Einstand. Sie lieferte damit gleichsam die Hintergrundfolie für diesen Abend. Denn wie Limacher pointiert ausführte, sei die religiöse Landschaft heute durch “eine Vielzahl parallel ablaufender Entwicklungen” geprägt. Ihre prägnanten Stichworte: Säkularisierung, Pluralisierung (samt einem zunehmenden Bewusstsein für eben diese) und Politisierung. Letztere ist laut Limacher Teil der Konstruktion von gesellschaftspolitischen “Grenzziehungsprozessen”, also oft politisch motivierten Abgrenzungen von Gruppen. Zu diesen Grenzziehungen müssten sich junge Menschen heute positionieren, erläuterte Limacher weiter; etwa, wenn medial “der Islam” konstruiert werde.

Für religiöse Identität bedeutet das der Religionssoziologin zufolge aber auch, sich gegen eine zunehmend nicht-religiöse Mehrheit zu behaupten. Denn: “Jugendliche und junge Erwachsene erfahren religiöse Identität häufig nicht mehr als eine reine Privatangelegenheit” und entwickeln demnach “Strategien, um mit ihrer religiösen Zugehörigkeit umzugehen”. Die Anpassungsstrategien fallen dabei ganz unterschiedlich aus und reichen vom Rückzug ins Private bis hin zu religionspolitischem Aktivismus junger Menschen. Das sei der Kontext, in dem religiöse Bildung heute stattfinde. Abschließende “Quintessenzen” wollte die Religionssoziologin dezidiert nicht liefern, sie formulierte vielmehr die aus ihrer Sicht zentrale Frage, die es zu beantworten gelte: “Wie kann es religiöser und ganz konkret katholischer Bildung gelingen, junge Menschen dabei zu unterstützen, die Kluft zwischen den universalistischen Ansprüchen religiöser Institutionen und den zunehmend vielfältigen subjektiven Sinnhorizonten zu überwinden?”

Religion als “Tiefendimension” samt existenziellen Fragen
Der Theologe Lukas Pallitsch begann seinen Impulsvortrag ähnlich wie Katharina Limacher mit einer kurzen Gegenwartsanalyse. Im Zeitalter der Postmoderne habe Religion einen anderen Platz als noch vor einigen Jahrzehnten, so Pallitsch, der sich die Frage vornahm, welchen Impuls religiöse Bildung in dieser postmodernen Welt zu geben vermöge. Im Rekurs auf ein Religionsverständnis, dass die “Dimension der Tiefe” im Leben des Menschen aufgreift, verwies Pallitsch auf die “großen, existenziellen Fragen”, an denen kein Mensch im Laufe seines Lebens vorbeikomme. Diese würden auch und vor allem im katholischen Religionsunterricht thematisiert und reflektiert. Der Einfluss der christlichen Religion auf das Menschenbild, die Personenwürde oder das Verständnis von Freiheit sei daher nach wie vor relevant, führte Pallitsch aus. Katholische Bildung gebe hier Antworten aus einer spezifischen Perspektive und sei damit “mystisch und politisch zugleich”.

Religionsunterricht als Beitrag fürs Gemeinwohl
Ein “Theologisches Café” schloss den Abend ab und untersuchte sehr spezifisch den Beitrag katholischer bzw. religiöser Bildung für das Gemeinwohl. In Form einer intellektuellen Kaffeehausrunde tauschten sich die beiden Vortragenden Katharina Limacher und Lukas Pallitsch mit gleich zwei hochkarätigen Vertreterinnen der Praxis aus: Mit ihnen diskutierten die Leiterin des Erzbischöflichen Amtes für Schule und Bildung, Andrea Pinz, sowie die Leiterin des Instituts Christliche Bildung an der KPH Wien/Niederösterreich, Brigitta Schnaubelt. Im Fokus der Gesprächsrunde stand der schulische Religionsunterricht.

Der Religionsunterricht liefere einen großen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler, argumentierte etwa Brigitta Schnaubelt. Er leite an zur Reflexion über das Leben und das eigenen Selbst, mache handlungsfähig gegenüber existentiellen Fragen und vermittle Pluralitätskompetenz, beschrieb Schnaubelt den umfassenden Bildungsanspruch des katholischen Religionsunterrichts. Schulamtsleiterin Andrea Pinz verwies auf eine große Initiative in Schuljahr 2022/23: Im Rahmen von “wertvoll & tatkräftig” waren Religionspädagog:innen gemeinsam mit ihren Schüler:innen dazu aufgerufen, sich in Projekten mit gesellschaftlicher Relevanz zu engagieren — mit großem Erfolg. Die Initiative sei an den Schulen fächerübergreifend gestaltet worden, berichtete Pinz und verwies auf die Vielzahl an Projekten, die mit viel Engagement umgesetzt worden seien.

Kooperative Modelle fördern “Zusammenleben der Religionen”
Auch ein Ausblick auf die Zukunft durfte nicht fehlen: Schulamtsleiterin Andrea Pinz zeigte sich in einem Statement etwa überzeugt, dass künftig das Verhältnis von Pastoral und religiöser Bildung neu zu bestimmen sein werde. Es brauche ein stärkeres Miteinander, da der Religionsunterricht aufgrund fehlender religiöser Sozialisierung neben der Wissensvermittlung auch vermehrt religiöse Erfahrung ermöglichen sollte. Aufgabe des Religionsunterrichtes wiederum sei es, diese Erfahrungen kritisch zu reflektieren. Die Schulamtsleiterin verwies zudem auf die Entwicklung kooperativer Formen im schulischen Religionsunterricht, in deren Rahmen Schüler:innen verschiedener Konfessionen gemeinsam unterrichtet werden. Diese kooperativen Modelle seien ein Beitrag zum Gemeinwohl, indem sie das “Zusammenleben der Religionen” fördern, betonte Andrea Pinz.

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Bericht/Schulamt der ED Wien/27.05.2025